Arbeitsunfall im Homeoffice

Das Coronavirus hat auch Deutschland weiterhin fest im Griff und führt zu sehr vielen notwendigen, aber auch einschneidenden Änderungen.
Um die Kontakte zu minimieren und ein Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen und Kunden wie Kundinnen möglichst zu vermeiden, arbeitet eine Vielzahl von zu Hause aus, im sog. Homeoffice.
Diese Möglichkeit ist durchaus nicht neu, auch wenn sie vor der Covid-19-Pandemie bei weitem nicht so flächendeckend eingesetzt wurde. Da viele Firmen bereits angekündigt haben, dies auch in Zukunft weiterzuführen, gilt es, einige Punkte zu beachten.

Im Folgenden möchten wir aufzeigen, wie fein der Unterscheid bei der Einstufung eines Unfalls im Homeoffice als Arbeitsunfall sein kann und worauf Sie achten müssen.

Frau am Laptop mit Icons zum Thema Arbeitsrecht
© adobeStock/Tierney

So hat das Bundessozialgericht (BSG) am 05.07.2016 (B 2 U 2/15 R) entschieden, dass ein Treppensturz beim Holen eines Getränks aus der Küche der eigenen Wohnung im Rahmen der Tätigkeit im Homeoffice nicht als Arbeitsunfall zu klassifizieren ist, mit der Folge, dass die gesetzliche Unfallversicherung hierfür nicht aufkommen muss. In einem Urteil vom 27.11.2018 (B 2 U 28/17) hat es dagegen entschieden, dass ein Sturz auf dem Weg ins Arbeitszimmer einen Arbeitsunfall darstellt.

Im ersten Fall durfte die Klägerin ihrer beruflichen Tätigkeit auch zu Hause nachgehen. Hierfür hatte sie sich in einem Zimmer einen Arbeitsplatz als Homeoffice eingerichtet. Während der Arbeitszeit verließ sie diesen Platz, um die Treppe hinunter in die Küche zu gehen und sich ein Getränk zu holen. Dabei stürzte sie leider und verletzte sich. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte einen Arbeitsunfall ab. Das BSG hat diese Auffassung bestätigt.

Vorliegend hat die Klägerin beim Verlassen des Arbeitszimmers auch die Arbeitssphäre verlassen und auf dem Weg zur Küche mit der Treppe die private Sphäre ihres Hauses betreten. Dieser Weg wurde nicht zurückgelegt, um ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, sondern um sich Wasser zum Trinken zu holen. Dadurch ist sie einer typischen eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeit nachgegangen. Denn anders als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb, unterlag sie im Homeoffice in ihrem eigenen Haus keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen.
Die Arbeit im Homeoffice führt zwar grundsätzlich zu einer Verlagerung der Arbeitsstätte ins Heim, nimmt aber der Wohnung nicht den Charakter einer privaten, nicht versicherten Lebenssphäre. Auch kann der Träger bzw. die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung – anders als im Betrieb – für ein Homeoffice kaum präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen ergreifen.
Daher ist es laut BSG sachgerecht, beim Verlassen der eigentlichen beruflichen Tätigkeit das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll, zuzurechnen.
(Quellen: Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.07.2016 04:35 unter Bezugnahme auf BSG PM Nr. 15/16 vom 05.07.2016; BSG 5.7.2016, B 2 U 2/15 R)

In einem anderen Urteil hat das BSG am 27.11.2018 (B 2 U 28/17) dagegen entschieden, dass ein Sturz auf der Treppe zum Büro im Keller durchaus einen Arbeitsunfall darstellen kann und hat sich damit klar gegen die Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (L 2 U 101/14) gestellt.

In diesem Fall war die Klägerin Sales und Account Managerin einer GmbH. Als regelmäßiger Arbeitsort war die Wohnadresse der Klägerin und damit eine Tätigkeit im Homeoffice vereinbart. Weitere Angaben zur Einrichtung und Ausgestaltung des Arbeitsplatzes im häuslichen Bereich enthielt der Arbeitsvertrag nicht. Die Klägerin richtete sich ihren Arbeitsplatz im Keller ein und bewohnte das Erd- und Dachgeschoss privat.
Am Tag des Unfalls hielt sich die Klägerin zuerst auf einem Messegelände auf, wo sie von einer Mitarbeiterin aufgefordert wurde, gegen 16.30 Uhr den Geschäftsführer der Arbeitgeberin anzurufen. Die Klägerin fuhr daher nach Hause und wollte in ihr Büro im Keller, um ihren Laptop anzuschließen und das Telefonat vorzubereiten. Dabei stürzte sie auf dem Weg in den Keller auf der Treppe und verletzte sich leider im Wirbelsäulenbereich. Die Tasche mit dem Laptop hatte sie bei sich.

Die berufliche Unfallversicherung lehnte einen Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen ab. Nachdem das Sozialgericht Augsburg (S 8 U 168/13) einen Arbeitsunfall bejaht hatte, hob das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil auf und wies die Klage ab.
Als Begründung führte das LSG an, dass die Klägerin bei der zum Unfall führenden Verrichtung – dem Hinabsteigen der Treppe – nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Das Betreten der häuslichen Kellertreppe habe nicht unmittelbar etwas mit der Ausübung der beruflichen Hauptpflichten zu tun gehabt, sondern stelle lediglich eine vorbereitende Handlung dar. Die Treppe sei auch nicht als Betriebsweg zu klassifizieren, weil dieser mit Durchschreiten der Außenhaustür bereits beendet gewesen sei und damit mit dem Rückweg von der Messe keine Einheit bilde.
Da die Treppe keine betrieblich genutzten Räume miteinander verbinde, sei sie auch kein betrieblich genutzter Gebäudeteil.

Das BSG hat dagegen einen Arbeitsunfall und die Eintrittspflicht der beruflichen Unfallversicherung bejaht.
Vorliegend stellt das Durchschreiten der Haustür nicht wie sonst üblich eine Zäsur für den Betriebsweg dar, weil sich privater Wohnbereich und beruflicher Arbeitsbereich hier in einem Haus befinden.
Da die Klägerin von der Messe zurückkam und die Haustür durchschritt, um in den Keller und ihr dortiges Büro zu gelangen, ist davon auszugehen, dass sie den Weg in Ausführung der versicherten Tätigkeit und nicht aus privaten Interessen zurückgelegt hat.

Die Klägerin war von der Messe direkt ins Homeoffice gefahren, um der Anweisung der Mitarbeiterin zu folgen und den Geschäftsführer anzurufen. Damit hat sie eine eindeutige Weisung befolgt und ihre objektive Handlungstendenz war darauf ausgerichtet, ihrer Tätigkeit als Beschäftige des Unternehmens im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nachzukommen. Das Telefonat mit dem Geschäftsführer fiel in ihren Aufgabenbereich, das im Interesse der Arbeitgeberin stand.
Daher ist es laut BSG unerheblich, dass zwischen dem (grundsätzlich versicherten) Rückweg von der Messe und dem Benutzen der Kellertreppe sowohl eine räumlich Zäsur, als auch eine zeitliche Unterbrechung von wenigstens einigen Minuten lagen.
Das Büro im Keller ist in diesem Fall aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als dauerhaft eingerichteter Arbeitsplatz zu klassifizieren und gilt somit als „Arbeitsstätte“ im häuslichen Bereich. Damit ist in diesem Fall der Unfall als Arbeitsunfall zu klassifizieren.
(Quellen: Bundessozialgericht Urteil vom 27.11.2018, B 2 U 28/17 R)

Diese Auffassungen sind sicher diskutabel, sollten jedoch im Falle von Homeoffice sowohl dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin, als auch dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin bewusst sein.
Beide Parteien sollten daher klären, wenn häufig oder ausschließlich im Homeoffice gearbeitet wird, inwieweit der Versicherungsschutz greift, und ggf. umfassender vorsorgen.

Bei Fragen oder Anregungen hierzu dürfen sie sich gerne an uns wenden. Ich stehen Ihnen als Anwältin für Arbeitsrecht in München bei Fragen zu diesem Thema gerne beratend zur Seite.